Baujahr: | 1642 |
Orgelbauer: | Hans Wöckherl (Weckherl) |
Manuale: | 2 |
Register: | 20 |
Registratur: | mechanisch |
Traktur: | mechanisch |
Windladensystem: | Schleifladensystem |
Stimmtonhöhe: | |
Temperierung: | |
Winddruck: | |
Bezeichnung der Register (nach Bauvertrag Wöckherl) | |
Hauptwerk [C,D,E,F,G,A,B -c3, 45 Töne] | |
Principal | [8´] |
Copln | [8´] |
Quintadena | [8´] |
Principal octav | [4´] |
Copl Flötten | [4´] |
Quinte | [3´] |
Superoctav | [2´] |
Mixtur |
[6 fach] |
Prust Positiv [C,D,E,F,G,A,B -c3, Subsemitonien für gis°/as°, dis¹/es¹ und gis¹/as¹, 48 Tasten] |
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Copln | [8´] |
Principal octav | [4´] |
Spüzflöten | [4´] |
super octav | [2´] |
Zümbl | [3 fach] |
Khrumphörner | [8´] |
Petall [C-b°, 19 Töne] | |
Portuna | [16´] |
Plochflöten | [8´] |
Octav | [4´] |
Quint | [3´] |
Mixtur | [4 fach] |
Pusaunnen | [8´] |
Tremolant (auf das ganze Werk wirkend) | |
Manualschiebekoppel ["Röchen"] | |
3 Sperrventile ["Vendill"] | |
Stimmtonhöhe: | 450Hz/13°C |
Winddruck: | 62 mm WS |
Über die Entstehung der ältesten Orgel Wiens ist die Nachwelt gut unterrichtet. Der Vertrag („Sponzetl“) mitsamt der ursprünglichen, 2011 vollständig rekonstruierten Disposition vom 21. Juli 1641 ist im Archiv des Franziskanerklosters erhalten geblieben; er besagt, daß Orgelbaumeister Hanß Weckherl mit dem Bau einer 20-Register-Orgel von ganz newen Materialien beauftragt wird und das Instrument bis zum 14. Juli 1642 fertig zu stellen habe.
Spärlich sind hingegen die Nachrichten über Wöckherls Leben und Wirken: Geburtsort und -jahr (um 1594) sind nicht eindeutig geklärt, desgleichen nicht sein handwerklicher Werdegang. Allerdings gibt es Nachweise über Neubauten, Reparaturen und Umbauten, die Wöckherl im Großraum Wien durchgeführt hat und ihn bis nach Mähren, in die Slowakei und nach Ungarn geführt haben (Ödenburg/Sopron, St. Georg, 1633); an kennt auch seinen Sterbtag: 4. Mai 1660 in Wien.
Seit Anbeginn ist die Wöckherl-Orgel im Betchor, hinter dem Hauptaltar, positioniert. Bevor Andrea Pozzo 1707 den kulissenhaften Hochaltar errichtete, der bis zum heutigen Tag ihre Ansicht vom Kirchenschiff aus vollständig verstellt, überragte das stattliche Instrument den niedrigen Renaissance-Altar bei weitem. Ihr Klang konnte ungehindert in den Raum abstrahlen. Das reich geschnitzte Hauptcorpus steht kunsthandwerklich auf voller Höhe seiner Zeit und hat mitsamt den bemalten Flügeltüren (geschlossen die Hl. Cäcilia, geöffnet die Stigmatisation des Hl. Franziskus und den Hl. Antonius darstellend, signiert 1643) den Charakter eines Flügelaltars.
Archivalisch nicht belegbar ist der äußere und innere Umbau des Brustpositivs, der irgendwann im 18. Jh. erfolgte, wobei die „Krumphörner“ durch eine Sedezim 1´ ersetzt wurden. Bis weit ins 19. Jh. sind Reparaturen belegt, woraus erhellt, daß die Wöckherl-Orgel liturgisch in beständigem Gebrauch war - ganz entgegen dem Mythos vom langen „Dornröschenschlaf“, der nicht zuletzt aus ihrer dem Auge des Kirchenbesuchers entrückten Positionierung resultierte. Auch nannte man sie „große“ Orgel, zum Unterschied von einer kleineren anonymen, die 1780 (als kaiserliches Geschenk) auf der Westempore aufgestellt wurde, aber 1881/83 einer Kegelladen-Orgel aus dem Hause Kaufmann weichen mußte.
Eine wechselvolle Geschichte durchlebte die Wöckherl-Orgel im 20. Jh. Im Aufwind der Orgelbewegung wurde sie gleichsam wiederentdeckt. Als 1924 die Kirchenmusik-Abteilung der Staatsakademie für Musik (heute: Universität für Musik und darstellende Kunst) aus Stift Klosterneuburg in das Gebäude des Franziskanerklosters übersiedelte und die Kirche somit „Institutskirche“ wurde, konnte ihre aufführungspraktische Bedeutung neu beleuchtet werden. Der junge böhmische Orgelbauer und Alte Musik-Pionier Josef Mertin (1904-1998), selbst franziskanisches Drittordensmitglied und Absolvent der Kirchenmusik-Abteilung, unternahm in der Folge erste konservatorische Maßnahmen, Ferdinand Molzer baute ein elektrisches Gebläse ein und nahm die Mensuren auf, die Oskar Eberstaller veröffentlichte. In einem biographischen Rückblick erinnerte Mertin 1990 an den kirchenmusikalisch bedeutenden Komponisten Josef Lechthaler (1891-1948), der auf verloren gegangene Werte der „alten Orgel“, wie etwa Transparenz des Klangs, erstmals hinwies: 1925 zeigte uns Josef Lechthaler in seiner Funktion als Orgelprofessor das Instrument, um uns auf einen Orgeltyp der Mitte des 17. Jahrhunderts aufmerksam zu machen. Die Orgel war verwahrlost und kaum spielbar. Habe dann in Etappen die Orgel überholt; im Pfeifwerk des Manuals lag der Kerzenruß spannenhoch. Habe mit Pater Superior die Verwendung dieser Orgel erkundet – sie schien mir hochbedeutsam. Ergebnis: Man bespielte die Orgel bei den feierlichen Einzügen des Konvents in die Kirche, wenn er vom Westtor eintrat. Das sind Gelegenheiten, ein Principaltutti des Manuals zu spielen. Man umgibt die Psalmen und ähnliche Liturgieelemente mit Versetten und damit gab es immer Direktbezüge zwischen dem improvisierenden Orgelgebrauch und der Liturgie.
Doch stand eine Zeit riskanter Turbulenzen noch bevor.
1925 klopfte ein gewisser Edgar Smith an die Klosterpforte und bot dem Konvent 100.000 Schilling für den Verkauf der Wöckherl-Orgel, die er als historisches Kuriosum in Atlantic City zur Schau stellen wollte. Glücklicherweise blieb der durch den 1. Weltkrieg verarmte Konvent dabei ebenso standhaft wie 1927, als das Haupt der reformcäcilianistischen Schola Austriaca Prof. Vinzenz Goller die Umformung der Wöckherl-Orgel zur modernen Zeitstil-Orgel anstrebte (mit pneumatischem Druckknopf „Alte Orgel“!) – das monströse Projekt scheiterte an der Finanzlage des Konvents. Schließlich mußte das Instrument im Juli 1943 zum Schutz vor dem Bombenkrieg abgetragen und in Klein Mariazell eingelagert werden: diese Arbeit besorgte Josef Mertin als Kustos des „Instituts für Denkmalpflege“ zusammen mit Orgelbaumeister Wilhelm Zika. Den Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg schlossen „Reinischs Erben“ (Johann Pirchner) im Juli 1950 ab. Trotz entschiedenen Abratens durch Sachberater und Denkmalpfleger Egon Krauss (1905-1985) ging dies nur mit erheblichen Eingriffen in die gesamte Technologie, in Windversorgung und Klaviaturumfänge vonstatten, was langfristig zur Destabilisierung und schließlich zur Unspielbarkeit des Instruments führte.
Wolfgang Rehns gründliche Untersuchung und Analyse ermutigte den Konvent unter der Ägide des 2005 ernannten Guardians P. Gottfried Wegleitner zur historisch korrekten Wiederherstellung des kostbaren Instuments durch die Schweizer Firma Kuhn, die zuvor schon die zeitgleich entstandene Freundt-Orgel in Stift Klosterneuburg restauriert hatte. Glücklicherweise widersetzte man sich dem Drängen des Bundesdenkmalamts auf Restaurierung des gewachsenen Zustands, denn die Archivalien rechtfertigten einen radikalen Ansatz: Man rekonstruierte also die ursprüngliche Form des Brustpositivs mitsamt Subsemitonien, die verlorenen Zungenstimmen, die Windversorgung und Klaviaturumfänge und temperierte mitteltönig. Überdies kamen bei der exemplarischen Gesamtrestaurierung des 1603 von P. Bonaventura Daum entworfenen Betchors bisher unbekannte Grisaille-Malereien zum Vorschein, die an Wänden und Gesimszonen eine raffinierte illusionistische Architekturgliederung bewirken. Mit der Wiedereinweihung der Woeckherl-Orgel am 25. März 2011 ist nicht nur ein einmaliges Klangdenkmal sondern ein musikalisch-architektonisches Gesamtkunstwerk von überregionaler Bedeutung wiedererstanden!
Die Wöckherl-Orgel zählt zusammen mit der Ebert-Orgel in Innsbruck, der Butz-Egedacher-Orgel in Schlägl und der Freundt-Orgel in Klosterneuburg zu den ältesten Orgeln Österreichs und ist, gleich diesen, ein Kunstwerk von europäischem Rang. Sie markiert den Ausgangspunkt des einzigartigen „Wiener Orgelpfads“, der signifikante Instrumente vom frühen 17. Jh. bis ins frühe 20. Jh. als Prototypen ihrer Epoche aneinander reiht: der Weg führt vom Renaissance-Charakter der Wöckherl-Orgel über die hochbarocke Sieber-Orgel in St. Michael (1714) und die spätklassische Christoph-Orgel in der Minoritenkirche (1786, derzeit unspielbar) zu den romantischen Instrumenten in Maria Treu (Buckow, 1858) und in der Votivkirche (Walcker, 1878) und schließt mit der die Moderne einleitenden Rieger-Orgel (1913) im Grossen Saal des Konzerthauses.
Kirche/Kapelle/Institution: Franziskanerkirche Wien
Adresse: Franziskanerplatz 4, 1010 Wien, Österreich
Quelle: Prof. Roman Summereder
URL: http://www.franziskaner.at/orgel/
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